10/04/2025 - Automotive

Text : Jérôme Marchon.       Fotos : Goodwood / Joe Harding

The Tyrrell Shed

Von der Scheune auf die Siegertreppen der Welt

Mitten in den glorreichen Jahren der Formel 1 beherbergte ein bescheidener Holzschuppen die kühnsten Träume von Ken Tyrrell. In dieser „Kathedrale aus Brettern“, zwischen improvisierten Werkbänken und Plänen, die im Licht von Schreibtischlampen gezeichnet wurden, entstanden einige der kühnsten Rennwagen in der Geschichte des Motorsports. Heute, vor der Zerstörung gerettet, erlebt dieses Heiligtum des Rennsports am Goodwood Circuit eine zweite Lebensphase und bewahrt den Geist einer Zeit, in der Mut und Einfallsreichtum über Millionenbudgets triumphierten.

Text : Jérôme Marchon.       Fotos : Goodwood / Joe Harding

The Tyrrell Shed

Von der Scheune auf die Siegertreppen der Welt

Mitten in den glorreichen Jahren der Formel 1 beherbergte ein bescheidener Holzschuppen die kühnsten Träume von Ken Tyrrell. In dieser „Kathedrale aus Brettern“, zwischen improvisierten Werkbänken und Plänen, die im Licht von Schreibtischlampen gezeichnet wurden, entstanden einige der kühnsten Rennwagen in der Geschichte des Motorsports. Heute, vor der Zerstörung gerettet, erlebt dieses Heiligtum des Rennsports am Goodwood Circuit eine zweite Lebensphase und bewahrt den Geist einer Zeit, in der Mut und Einfallsreichtum über Millionenbudgets triumphierten.

Longines World’s Best Racehorse

Heutzutage wirkt es verrückt, im Schuppen hinter dem eigenen Garten einen Formel-1-Wagen zu bauen – oder, für die Träumer unter uns, wie eine romantische, fast märchenhafte Idee. Doch für Ken Tyrrell Anfang der 60er-Jahre war dieser Ansatz alles andere als abwegig.

Es war das goldene Zeitalter der „Hinterhof-Schrauber“ in der Formel 1 – jener leidenschaftlichen Visionäre, die jedes erdenkliche Opfer brachten und jeden „Penny“ in die Performance für den Sonntagnachmittag investierten. Genau das war der Zauber der Formel 1 jener Tage.

Longines World’s Best Racehorse

Ken Tyrrell vor seiner schuppen in Goodwood

... die Wände bebten unter den leidenschaftlichen Diskussionen zwischen dem Teamchef und dem jungen Jackie Stewart ...

So leitete Ken Tyrrell in diesem Schuppen, ursprünglich auf dem Gelände des familieneigenen Sägewerks in Ockham (Surrey) errichtet, die Geschicke seines Rennstalls. Jeder Balken, jeder Nagel in diesem künftigen Heiligtum des Motorsports erzählt eine Geschichte. Die Wände bebten unter den leidenschaftlichen Diskussionen zwischen dem Teamchef und dem jungen Jackie Stewart, sie wurden Zeugen der durchgearbeiteten Nächte von Derek Gardner, dem genialen Ingenieur, der heimlich den ersten Tyrrell 001 entwarf. Und dann war da noch der verrückte Moment, als der legendäre, sechsrädrige P34 geboren wurde – eine Konstruktion, die alle Konventionen sprengte!

Longines World’s Best Racehorse

Longines World’s Best Racehorse

Der Kontrast zu den heutigen Formel-1-Werkstätten könnte kaum grösser sein, die klinisch sauber, staubfrei und eher mit Operationssälen vergleichbar sind. Die Scheune von Tyrrell hingegen verkörpert das britische Ingenieurswesen jener Zeit: Einfallsreichtum, Wagemut und die Fähigkeit, aus wenig etwas Grosses zu schaffen.

Die kürzlich erfolgte Rettung dieses einzigartigen Stücks Motorsportgeschichte gleicht einem modernen Märchen. Vom Abriss bedroht, fand der Schuppen – nach drei Jahren Einsatz und Verhandlungen – Zuflucht auf dem Gelände des Goodwood Circuit, genau dort, wo die Geschichte von Tyrrell einst begann. Denn es war am Goodwood Circuit, wo Jackie Stewart erstmals einen von Tyrrell eingesetzten Cooper Formel Junior testete.

Der Beginn einer der grössten Erfolgsgeschichten im Motorsport, die mit drei Formel-1-Weltmeistertiteln innerhalb von nur fünf Jahren gekrönt wurde – und all das wurde aus diesem 6 mal 21 Meter grossen Schuppen heraus organisiert.

Das Restaurierungs- und Rekonstruktionsteam arbeitete mit nahezu religiöser Ehrfurcht, bewahrte jede Schramme und jeden Zeitzeugen. Während des methodischen Abbaus fanden die Experten wahre Schätze: alte Flügelteile, Poster und Aufkleber – Botschaften aus der Vergangenheit.

Alles wurde in Goodwood originalgetreu wieder aufgebaut, mit Ausnahme neuer Fensterrahmen und eines asbestfreien Dachs.

Longines World’s Best Racehorse

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Bei der offiziellen Wiedereröffnung während des Goodwood Revivals im vergangenen September war es erstaunlich und bewegend zu sehen, wie gross die Begeisterung für diesen legendären Schuppen war. Die älteren Besucher schwelgten in nostalgischen Erinnerungen an die heroischen Duelle der goldenen Ära, während die jüngeren erstaunt erfuhren, dass ohne diesen Schuppen vielleicht ein Lewis Hamilton keine vergleichbare Karriere gehabt hätte.

Man darf nicht vergessen, dass die Tyrrell Racing Organisation 1998 an British American Tobacco verkauft wurde, woraus später das Team British American Racing (BAR) hervorging, das dann 2005 zum Honda Racing F1 Team wurde, 2009 in Brawn GP F1 umbenannt und schliesslich seit 2010 das Mercedes-AMG Petronas F1 Team bildet.

Longines World’s Best Racehorse

Während seine Scheune ein neues Leben in Goodwood beginnt, blickt Ken Tyrrell, der 2024 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, wohl mit seinem charakteristischen breiten Grinsen von oben auf all das herab. Dieses bescheidene Bauwerk, Zeuge einer glorreichen Vergangenheit, inspiriert weiterhin und erinnert daran, dass die grössten Erfolge oft aus kaum mehr als einem kühnen Traum entstehen.

Das Team von Goodwood rund um den Duke of Richmond denkt nun über die Zukunft dieses legendären Ortes nach. Kein einfaches Museum soll er werden, nein, vielmehr ein lebendiger Raum, der den Geist von Innovation und Leidenschaft weiterträgt, der die Grösse von Tyrrell einst ausmachte.

www.goodwood.com

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